Okonkwo oder Das Alte stürzt

Okonkwo oder Das Alte stürzt

von Chinua Achebe, Nigeria. („Things Fall Apart“ 1958). Aus dem Englischen von Dagmar Heusler und Evelin Petzold.

Es ist die Zeit der Kolonialisierung, die ersten Missionare halten Einzug in Westafrika. Okonkwo, einer der Stammesältesten von Umuofia, einer Dorfgemeinschaft der Ibo im heutigen Nigeria, gilt als eigenwilliger, verschlossener Charakter. Im Gegensatz zu seinem Vater, den er als Schwächling und Versager ansieht, setzt Okonkwo auf Mut und Stärke. Er ist ein Krieger, bereit jeden Kampf aufzunehmen. Er ist dabei, mit Trotz und Zähigkeit den höchsten Titel in seiner Gemeinschaft zu erwerben, als er einen folgenschweren Fehler begeht. Von der Angst getrieben, die Schwächen seines Vaters zu wiederholen, macht er sich zum Mitschuldigen am Opfertod eines ihm anvertrauten Jungen. Sein zweiter, unbeabsichtigter Fehler: Bei einer Begräbniszeremonie löst sich ein Schuß aus seinem Gewehr, einer der Söhne des Toten kommt dabei ums Leben. Er wird für sieben Jahre aus Umuofia verbannt, verliert alles, was er bis dahin aufgebaut hat. In dieser Zeit halten anglikanische Missionare Einzug in Umuofia und bereiten den Boden für die nachfolgende britische Kolonialverwaltung, die mit ihrem militärischen Machtgebaren die alten Würdenträger demütigt und die Dorfgemeinschaft zerstört. Als Okonkwo aus seiner Verbannung zurückkehrt, erfährt er die Unerbittlichkeit der neuen kolonialen Gesetze am eigenen Leib. Er wird gefangen genommen, entwürdigt und misshandelt, wie die anderen Männer seines Dorfes. Er ist der einzige, der sich nicht den neuen Machthabern fügt. Einfach weil er außerstande ist, die Entehrungen hinzunehmen. Allein tritt er in einem aussichtslosen Kampf gegen die Kolonialherren und ihre einheimischen Helfeshelfer an, wohlwissend, dass er unterliegen wird.

Im tragischen Ende Okonkwos hat Achebe das Testament des Zorns seiner  Generation verfasst. Dabei entfaltet er den Reichtum der Kultur und Lebensweise der Ibo zum Ausgang des 19. Jahrhunderts. Er schildert die religiösen Riten und Feste seiner Gemeinschaft, das System der familiären und sozialen Beziehungen. Er zeigt auch die Schwächen der Ibo auf, ihre eigenen gnadenlosen Gesetze, die dazu beigetragen haben, dass die europäischen Kolonisatoren die traditionelle Welt Westafrikas in wenigen Jahrzehnten  zerstören konnten.

Achebe war gerade mal 26 Jahre alt, als er mit „Okonkwo“ ein fulminantes Debüt hinlegte. Der Roman wurde ein Klassiker der afrikanischen Gegenwartsliteratur – sein Originaltitel „Things Fall Apart“ zitiert ein Gedicht von W.B Yeats „The Second Coming“ . Der Roman wurde in englisch geschrieben. Bald nach seinem Erscheinen wurde er in 50 Sprachen übersetzt und verfilmt.

Wenn wir uns nicht die Erinnerung an unsere Geschichte bewahren, werden wir nicht die Zuversicht haben, die Gegenwart zu bewältigen.“ Chinua Achebe

Über den Autor

Chinua Achebe (c) Stuart C. Shapiro

Chinua Achebe, 1930 in Ogidi/Nigeria geboren und am 22. März 2013 gestorben, gilt neben Wole Soyinka als  bedeutendster Autor aus dem südlichen Afrika. Sein erster Roman Okonkwo oder das Alte stirbt ist der meistgelesene Roman Afrikas und gehört zur Pflichtlektüre an afrikanischen Schulen.

Vom Aufwachsen in einem Land im Umbruch

Chinua Achebes Vater, der dem Volk der Ibo angehörte, arbeitete als Lehrer an einer Missionsschule. Er prägte seinen Kindern die Werte seiner afrikanischen Kultur ein, gleichzeitig war er ein devoter Protestant und unterrichtete sie in europäischem Glauben und Kultur. Er gab Chinua den afrikanischen Namen Chinualumogu, was inder Ibo Sprache bedeutet „Gott kämpft zu meinen Gunsten“. Liess ihn aber auch zusätzlich auf den westlichen Namen Albert taufen, zu Ehren von Prinz Albert, dem Ehemann Queen Viktorias. Während Chinua Achebes Studienzeit befand sich Nigeria im Aufbruch. Das Land strebte nach Unabhängigkeit von den europäischen Machthabern wie andere afrikanischen Kolonien auch. Achebe wurde von der Politisierungswelle erfasst. Er legte seinen europäischen Namen ab und nannte sich nur noch „Chinua“ als  Zeichen seiner anti-kolonialistischen Haltung. In den sechziger Jahren leitete er den Auslandsdienst des nigerianischen Rundfunks. Als Nigeria unabhänigig wurde, flammte in dem künstlich geschaffenen Staat der Bürgerkrieg zwischen den verschiedenen Volksstämmen auf. Nach den Massakern an seinem Volk, den Ibo, legte er dieses Amt nieder. Während der Zeit des Biafra-Krieges fungierte er als Sonderbotschafter der Sezessionisten in USA und Europa. Neben Wole Soyinka gehört er später zu den wichtigsten Stimmen gegen das Militärregime, das in Nigeria herrschte. Er nahm die politischen Repressalien, denen Kritiker ausgesetzt waren in Kauf, mußte später jedoch emigrieren. Chinua Achebe ging in die USA.  Nach Kriegsende lehrte er an verschiedenen Universitäten in Nigeria und  den USA. Seit einem schweren Autounfall im Jahr 1990 war er an den Rollstuhl gefesselt.

Mit kolonialer Bildung zum Antikolonialisten

Chinua Achebe hat Romane, Erzählungen, Märchen und Gedichte geschrieben. Er wurde zum Wortführer einer Generation, die von einem kolonialen Bildungssystem geprägt wurde und später gegen die kolonialen Werte und Herrschaftssysteme rebellierte. Wie viele andere afrikanische Autoren schrieb er englisch, der Sprache der einstigen Kolonialmacht. Es war ein Widerspruch, doch nur so konnte er sicher sein, dass er international wahrgenommen werden würde.

Chinua Achebe war ein kompromißloser Verfechter eines unabhängigen, freien, demokratischen Afrikas. Anlässlich seines siebzigsten Geburtstages im November 2000 brachte Wole Soyinka das Engagement seines Mitstreiters auf den Punkt: „Achebe hat sich nie gescheut, die Verursacher für das Leid Afrikas beim Namen zu nennen.“ Chinua Achebe starb im März 2013. Kurz zuvor war er wieder wie so oft im Gespräch um den Nobelpreis für Literatur. Er hat ihn nie erhalten, obwohl er mit allen anderen Literaturpreisen von Rang ausgezeichnet wurde, wie dem Man Booker Preis und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels

Zitate

„Das existentiell Bedrohendste für ein Volk ist der Verlust von Selbstachtung und Würde.“ Chinua Achebe

„Wenn wir uns nicht die Erinnerung an unsere Geschichte bewahren, werden wir nicht die Zuversicht haben, die Vergangenheit zu bewältigen.“ Chinua Achebe

Einen Textauszug des Romans kannst du hier lesen

Hier kannst du einen Ausschnitt aus dem Roman Onkonwo oder das Alte stirbt hören