Romane über Emigration

In einem Slum in einer südafrikanischen Stadt

(c) Sabine Erlenwein

Leben wie Gott in Frankreich. Das erhoffen sich viele, die ihre afrikanische Heimat verlassen. Sie kommen aus Senegal, Kamerun, dem Kongo, Kenia und anderen Ländern südlich der Sahara. Sie folgen einem inneren Traum. Reich oder berühmt werden, sich selbst beweisen, dass man es im Land der ehemaligen Kolonialherren schafft. Für diesen Traum sind sie bereit, vieles aufzugeben, ihre Familien und Gemeinschaften, ihre vertraute Sprache. Ihre Geschichten handeln von dem Konflikt, sich zwischen unterschiedlichen Kulturen zurecht zu finden, von ihren Identitätskrisen, von den Täuschungen durch die Erwachsenen und von dem alltäglichen Rassismus. Jeder ihrer Kämpfe und Siege ist ein Meilenstein auf dem Weg zu einer neuen Gesellschaft.

Eine neue Heimat

Fischerjunge in Senegal

(c) Kindermissionswwerk

Manche verlassen ihr Land, weil sie sich ihrer Heimat nie zu Hause fühlten. Sie wissen, dass sie viel verlieren, doch was sie zu gewinnen hoffen, scheint vieles aufzuwiegen. Mit einer neuen Sprache müssen sie eine neue Identität finden. Manche nehmen erst im fremden Land ihre eigene Stimme wahr, wie die Senegalesin Fatou Diome, die in Frankreich begann, ihre Geschichte in dem Roman Der Bauch des Ozeans zu erzählen. Als uneheliches Kind und zumal als Mädchen hatte sie in ihrer islamisch geprägten Heimat keine Chance. Von ihren Eltern verlassen, von Bildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten abgeschnitten, wagte sie das Experiment. Sie heiratete einen Weißen und ging mit ihm nach Frankreich, um dort das Leben zu finden, von dem sie träumte.

Ein neues Land, eine andere Identität

Emigration wirkt zerstörend oder belebend. Vieles kommt darauf an, mit welcher Erwartung Emigranten das Neuland betreten und wie das Land sie aufnimmt. Glück ist es, wenn sie zwischen allen Fronten Verbündete finden. In Der kleine Prinz aus der Vorstadt beschreibt der 10jährige Loukoum das Leben einer afrikanischen Gemeinschaft in Paris. Er durchschaut die gnadenlosen Gesetze dieser Welt und macht sich ihren Zynismus zu eigen. Mit seiner Sichtweise verkehrt er die Fronten. Aus der Sicht eines jungen Erwachsenen schildert auch Wilfried N’Sondé in dem Roman  Das Herz der Leopardenkinder das Leben in einem Pariser Vorort. Sein Held findet sich in einem Gefängnis wieder, wo er eines Verbrechens angeklagt wird, an das er sich kaum erinnern kann. Gefangen zwischen den Stimmen der Vorfahren und den widrigen Lebensverhältnissen in den Banlieues ringt er um eine neue Identität.

Freiheit in einem anderen Land

Tänzer bei der Einweihung des Robyn-Orlin-City Theaters in Paris

Robyn-Orlin.City-Theatre & Dance Group vor dem Cité nationale de l’histoire de l’immigration

Die jüdische Schriftstellerin Stefanie Zweig erzählt in ihrem Roman Nirgendwo in Afrika die Emigration in umgekehrter Richtung. Die Gründe der Emigration waren nicht wirtschaftliche Not sondern politische Verfolgung. Der Weg führte von Europa nach Afrika. Ihre Eltern mussten mit Beginn des Dritten Reiches vor dem Naziregime nach Afrika fliehen. Ihre Flucht endete in Kenia. In dem ostafrikanischen Land machte die Autorin eine erstaunliche Erfahrung: Für Menschen, die gezwungen sind, ihr Land zu verlassen, kann das Land der Zuflucht zur Heimat werden.

Hier kannst du die ersten drei Kapitel aus  Der Bauch des Ozeans hören. Unter TV findest du ein Gespräch mit Martina Gedeck.