Der Bauch des Ozeans
von Fatou Diome (Senegal). Diogenes Verlag, Zürich 2006.
Ein Roman über das Verlassen, das Verlassenwerden und das Ankommen. Ausgangspunkt ist Afrika, aber der Weg ist… zu sich selbst finden.
Leben wie Gott in Frankreich. Dort liegt das große Geld und man muss nicht viel dafür tun. Aber Europa ist kein Paradies, das musste die aus Senegal eingewanderte Salie nach einer kurzen Ehe mit einem französischen Entwicklungshelfer erfahren.
„Pas de Schwarz dans la famillie“ so das Urteil der Schwiegermama. Damit war der Traum geplatzt. Geschieden, ohne Unterhalt muss sich Salie allein durchschlagen. Mit Putzjobs verdient sie sich den Unterhalt, beginnt zu schreiben. Trotzdem will Salies kleiner Bruder Madické ihr nach Frankreich folgen, um als Fußballstar reich und berühmt zu werden. Doch die Träume, die auf der kleinen Insel Niodior inmitten des Ozeans ersonnen werden, stoßen auf ein Hindernis: die Wirklichkeit. — Wie Salie dennoch einen Weg findet zwischen Desillusionierung und Hoffnung, ist das kleine Wunder dieser autobiographischen Geschichte.
„Ich war ein uneheliches Kind“, erzählte Fatou Diome in einem Interview. „Man hat meine Mutter dafür büßen lassen. Sie wollte deshalb nichts mit mir zu tun haben, genau so wie mein Vater. Als ich dann nach Europa kam und den Rassismus hier erlebte, sagte ich mir: o.k. Hier weisen sie dich nicht zurück, weil du ein Mädchen bist und unehelich. Hier bist du unerwünscht wegen deiner Hautfarbe. Für mich war das kein großer Unterschied zu meiner Erfahrung in Afrika.“
Fatou Diome wurde 1968 auf Niodior, einer Insel vor der senegalesischen Küste, geboren. Sie wuchs bei ihrer Großmutter auf und ertrotzte sich den Schulbesuch. Im Alter von 13 Jahren verließ sie ihr Dorf, um in der nächsten größeren Stadt eine weiterführende Schule zu besuchen. Sie studierte in Dakar, wo sie 1990 einen in Senegal tätigen französischen Entwicklungshelfer kennenlernte, dem sie ins Elsaß, dessen Heimat, folgte. Die Ehe war kurz, sie ließ sich scheiden und begann in Straßburg ein Studium der Literaturwissenschaften. Nach einer Kurzgeschichtensammlung und einer Novelle veröffentlichte sie 2003 mit »Le Ventre de l’Atlantique« (2004) ihren ersten Roman, der sie international bekannt machte. Er wurde mit dem LiBeraturpreis, dem Prix des Hémisphères Chantal Lapicque und dem Jugendbuchpreis der Jury der jungen Leser ausgezeichnet.
Niemand in Fatou Diomes Familie konnte lesen und schreiben. Wie kam es, dass die Senegalesin die Literatur für sich entdeckt hat?
„Ich liebte es, zu lesen. Als ich las, wuchs in mir das Bedürfnis zu sprechen und Fragen zu stellen. Da sich aber niemand dafür interessierte, was ich zu sagen hatte, blieb mir nur eine Wahl: Ich fing an zu schreiben. Papier ist tolerant. Ihm war es egal, dass es von einem unehelichen Mädchen beschrieben wurde.“
Über die Autorin
Fatou Diome wurde 1968 auf der Insel Niodior vor der Küste Senegals als uneheliches Kind geboren. Sie wuchs unter widrigen Umständen auf, verließ mit 13 Jahren das Fischerdorf, um den Zwängen der islamischen Familiengesetze zu entkommen. Nach Abschluss der Schule in M’Bour studierte sie in Dakar Literatur, wo sie ihren Mann kennen lernte, einen französischen Entwicklungshelfer. Sie heiratete ihn, folgte ihm nach Frankreich. Dessen Familie lehnte sie ab, wegen ihrer Hautfarbe, die Ehe zerbrach. Fatou Diome saß zwischen allen Stühlen, zuhause nicht beheimatet, und in der Fremde nicht akzeptiert. Die Widersprüche und Zwiespälte der Emigration sind ihr Thema, über das sie bisher mehrere Erzählungen und zwei Romane schrieb. Unverblümt, mit beißendem Humor zeichnet sie ein realistisches Bild von den Integrationsschwierigkeiten, die Afrikaner in Frankreich, wie im übrigen Europa auch, erleben. Seit zehn Jahren lebt sie in Frankreich, promoviert in Sprach- und Literaturwissenschaft an der Universität Straßburg. Ihr Kindheitstraum, Fernsehmoderatorin zu werden, ist übrigens Wirklichkeit geworden – sie moderiert einmal im Monat eine Literatursendung auf „France 3“! Fatou Diome, die vor zehn Jahren nach Frankreich kam, schaffte es mit ihrem Debütroman „Der Bauch des Ozeans“ auf Anhieb in die französischen Bestsellerlisten. Schonungslos betrachtet die Literaturwissenschaftlerin, die als erste in ihrer Familie lesen und schreiben lernte, darin ihre Heimat in Afrika wie auch ihre neue Welt in Frankreich.
« Das Exil ist mein geographischer Selbstmord: Es befreit mich von meiner Geschichte. Das Anderswo zieht mich an, weil es nicht die Versehen des Schicksals beurteilt, sondern das Leben, für das ich mich entschieden habe.“ Fatou Diome
Der Roman wurde 2005 mit dem LiBeraturpreis und dem Österreichischen Jugendbuchpreis ausgezeichnet.
Der Bauch des Ozeans – Lesung von Martina Gedeck auf 3sat Hörbuchtipp 3:25 Min. (c) 3sat.
Hier kannst du einen Auszug aus dem Hörbuch zu Der Bauch des Ozeans hören.