Afrikanische Musik – gestern und heute
Musik gehört in Afrika zum täglichen Leben, ganz gleich ob zur puren Unterhaltung, zur Andacht oder zum Protest. Auf den Dörfern begleiten Lieder monotone Arbeiten wie Pflanzen und Ernten. Ein afrikanisches Fest ohne Musik und Tanz wäre einfach undenkbar. In den Städten unterhalten Straßenmusiker die Passanten, aus den Lautsprechern der Busse und Autoradios tönt Pop Musik. In den afrikanischen Metropolen ziehen Musikfestivals Jahr für Jahr tausende Besucher an.
Pop Musik – ein Blick zurück in die Geschichte
Afrikanische Musik gilt als Ursprung der heutigen Pop Musik. Die einstigen Sklaven brachten ihre Gesänge mit in die neue Welt. Sie revolutionierten mit ihren Rhythmen und Gesängen die populäre Musik wie auch die traditionelle Kirchenmusik. Gospel, Blues und Jazz haben ihre Wiege in Westafrika.
Afroamerikaner entwickelten sie im 20. Jahrhundert in vielfältige Stilrichtungen weiter. In den Metropolen Amerikas und Europas herrschten ab dem ersten Weltkrieg afrikanische Musikrichtungen vor. Sie bestimmten den Rhythmus des urbanen Lebens. Ein Jahrhundert später kam der Hip Hop zurück nach Afrika. Hip Hop ist eigentlich eine afrikanische Musikform, die nach dem Muster von „call and response“ aufgebaut ist. Sie fand ihren Höhepunkt in der afroamerikanischen Popkultur. Doch als sie von afrikanischen Gruppen aufgegriffen wurde, kehrte sie eigentlich nur zu ihren Ursprüngen zurück. Heute kommt die innovative Pop Musik aus Afrika oder wird von afrikanischer Musik inspiriert.
Jazz, Blues, House Music, Musikstile nach Regionen
Je nach den Regionen Afrikas unterscheiden sich die Musikstile und die Bevorzugung bestimmter Instrumente sehr stark voneinander. An unseren Musikbeispielen kannst du die Unterschiede hören.
Westafrika – die Griots und die Wiege des Blues
Der senegalesische Musiker Youssou N’Dour hat mit seinem Song Seven Seconds Pop Geschichte geschrieben. Rokia Traoré, der Liedermacherin aus Mali wie auch Amadou und Miriam, das Duo aus Mali, sind international bekannte Stars, die moderne afrikanische Rhythmen in die Welt hinaus tragen.
Für die Musik Westafrikas sind zwei Instrumente charakteristisch: Die Kora, eine 21saitige Harfe, die als Instrument der Griots bekannt ist und die N’Goni, eine Art Laute. Der außergewöhnlicher Klang der Kora begleitet die Lieder, die man in Gambia, Mali, Burkina Faso oder der Elfenbeinküste singt. Toumani Diabaté und sein Neffe Mamadou Diabaté aus Mali haben die Melodien der Griots weltweit bekannt gemacht.
Mamadou Diabaté spielt ein traditionelles Thema aus Westafrika auf seiner Kora. Die Musik stammt aus der CD Antilopenmond. (c) Scala Z Media
Die N’Goni, die Laute der Jäger
Die N’Goni, eine Art Laute, ist ebenso populär wie die Kora. In früherer Zeit galt sie als Instrument der Jäger. Oumou Sangaré aus Mali machte den Klang der N’Goni in Europa populär, Bassekou Kouyaté entwickelte das Instrument für seine Bluessongs weiter. Die „Bambara-Musik“ hat ihr Zentrum in den Weiten der Sahelzone. Außerhalb Afrikas wurde sie als „Desert Blues“ bekannt. Ein unvergesslicher Vertreter des Desert Blues war Ali Farka Touré, der mit seinem virtuosen Gitarrespiel zur Verbreitung der Musik Malis beitrug.
Fela Kuti und der Afrobeat
Der Nigerianer Fela Anikulapo Kuti war ein innovativer Songschreiber und Saxophonist, er mixte Jazz mit westafrikanischem Highlife und gilt als Erfinder des Afrobeat. Seine Jamsessions gingen nächtelang, seine Songs füllten ganze Langspielplatten. Er war großgeworden zu einer Zeit, als Nigeria noch unter dem Einfluss der Kolonialzeit stand und ein gewalttätiges Militärregime herrschte. Mit seiner Musik kritisierte Fela Kuti die Regierung. Seine Fangemeinde wuchs, und er wurde immer mehr zum Sprachrohr der unterdrückten Bevölkerung. Auf dem Gebiet seines Studios gründete er eine Kommune, die Calacuta Republic, und wurde bald zum „gefährlichsten Musiker der Welt“, so die Zeitschrift Rolling Stone. 1000 Soldaten rückten an und schlugen alles kurz und klein. Fela Kuti wurde verletzt, floh, kam später zurück, konnte aber nicht mehr an seine alten Erfolge anknüpfen.
Dieses Musikbeispiel stammt von der Band FulaFlute, deren ungewöhnliche Flötenmusik und Gesänge von Master Bailo Bah in Kanada wie auch in Guinea gehört wird.
(c) FulaFlute
Aus Nigeria stammt die Sängerin Nneka, die mit ihren politischen Songs die Popmusik Westafrikas beeinflusst hat. Sie ist eine tolle Performerin und ihre Konzerte in Europa sind meist ausverkauft. Wenn sie irgendwo in der Nähe deiner Heimatstadt auftritt, musst du dich beeilen, wenn du eine Karte ergattern willst. Diese Aufnahme stammt aus einem Konzert in Nairobi
Nordafrika und orientalische Pop Musik
Im Norden Afrikas ist die Musik von der islamischen Musiktradition beeinflusst. In Algerien entstand der Rai, was „Standpunkt“ bedeutet und sich zu einer Art orientalischen Popmusik entwickelte. In arabischen Ländern hört man Rai Musik, häufig die Hits von Khaled, dem „König des Rai“, von Cheb Mami und Cheb Hasni. Mit ihren kritischen Songs haben sie sich schnell eine internationale Fangemeinde erobert, aber auch Feinde in ihrem eigenen Land geschaffen. Alle drei Musiker wurden Opfer des algerischen Regimes. Im Nachbarstaat Marokko ist Khalid Izri einer der bekanntesten Stars der Amazigh Musiker: Er ist zum Idol der Nordafrikaner geworden, die im Exil leben und die Wurzeln zu ihrer Heimat nicht verlieren wollen.
Ein bekannter Popmusiker und Songwriter aus Tunesien ist Nader Guirat, der tunesische Musik mit Pop verbindet. Sein Song „The Jasmine’s Calling“ ist eine Hymne an die Freiheitsbewegung in seinem Land. Dauer 5:15 (c) Nader Guirat
Der Osten und die Gesänge der Massai
Im Osten Afrikas sind die Gesänge der Massai verbreitet. Jedes Volk dieser traditionsbewußten Ethnie hat seine eigenen Gesänge zur Initiation, zur Begrüßung der Jäger, zur Hochzeit oder zur Bestattung der Toten. Dar es Salaam ist heute ein Zentrum des afrikanischen Hip Hop. Die Gruppe X Plastaz hat eine eingängige Form von afrikanischem Hip Hop entwickelt. Die Gruppe interpretiert alte Massai Lieder auf urbane Weise. In ihren Songs erzählen sie darüber, was Tradition und der Schock der Moderne in der Gefühlswelt der Jungen anrichten oder darüber, wie korrupte Eliten Hilfsgelder und Steuern veruntreuen.
Hier hörst du ein Musikbeispiel von X Plastaz aus ihrer CD Maasai Hip Hop. Der Titel: Nini dhambi kwa mwenye dhiki?
Der Songtext in englisch:
„All my people, East Africa, Tanzania, Uganda and Kenya, Dar es Salaam, A-town… Wherever you are, kneel and pray to God. Is this politics, religion, tyranny, slavery, the last days, Sodom and Gomorrah? This goes out especially to my people, the crippled, the blind, the albinos and the insane, street chidlren, beggars, the poor and those who are mentally sane. This is a thick rope. You should know that we are pulling against those in power: fat bellies and cheeks. It’s no longer a fair game, the referee is lbades, the field itself is dry. Work is hard to find, payment is little. What’s left is to play the hard way. We’re tired of teh upper class, capitalism and dictatorship. This is the time, this is redemption…“
(c) X Plastaz/outhere rec.
Südafrika
In der Rainbow Nation Südafrika gibt so viele Musikstile wie Völker. Die Zulu, !Xhosa oder San, europäische und asiatische Einwanderer bevölkern den südlichsten Staat Afrikas und erfüllen ihn mit ihren verschiedenartigen Klängen. Während der Zeit der Apartheid wurde jede kritische Musik der schwarzen Bevölkerung verboten.
Zu den damals verfemten afrikanischen Musikern gehörte die südafrikanische Sängerin Miriam Makeba, die mit ihren Hits Pata Pata und The Lion sleeps Tonight weltbekannt wurde. Sie war eine der ersten Sängerinnen, die afrikanische Pop Musik in die Welt hinaustrug und auf die Probleme in ihrem Land aufmerksam machte. Nach dem Ende dieser unseligen Ära konnte man erstaunt feststellen, dass die schwarzen Völker ihre Musik nicht nur bewahrt sondern auch weiterentwickelt hatten.
Hugh Masekela gilt als einer der wichtigsten Jazz- und Weltmusik-Pioniere aus Südafrika. Auch er wuchs in der Zeit der Apartheid auf und war politisch aktiv. Seine Texte sind politisch und sozialkritisch. Sein größter Hit war Gracing in the Grass (1968) aus dem Album The Promise of a Future. Mit dem Song Don’t Go Lose It Baby erstürmte er die amerikanischen Top Charts.
Hip Hop und Soul
Hip Hop ist eine Bewegung in der populären Musik in ganz Afrika. Das gleiche gilt für Soul. Die gegenwärtige Soul Musik erinnert an die Stars des schwarzen Amerika der 70er Jahre. Eritrea’s got Soul von The Asmara all Stars ist ein Revival dieser Ära. Sie stellen unter Beweis, dass Geschichte niemals Vergangenheit ist, sondern in neuen Stilen weiter lebt.
Die Musik der Buschmenschen
Die Khoisan Musik, die Musik der Buschmenschen, begleitet jeden, der sich in ihren Wüstengebieten aufhält. Der Jazzmusiker Pops Mohamed hat ihre Musik in einem Album unter dem Titel Pops Mohamed Presents Bushmen of the Kalahari veröffentlicht. Er schickte die Musik des abgeschieden lebenden Volkes über den weltweiten Äther. In den Goldminen Südafrikas hat sich eine Gruppe von Minenarbeitern zusammengefunden, die in ihrer Freizeit nichts anderes taten als alte Lieder zu singen. Ihre faszinierenden Gesänge wurden bald über alle regionalen Radiostationen verbreitet. International bekannt wurde die Gruppe Lady Smith Black Mambazo, als der amerikanische Pop Musiker Paul Simon mit ihren Gesängen ein sensationelles Album aufnahm.
House Music, Hip Hop und Durban Kwaito
Seit der Fußball WM in Südafrika kennt jeder Durban Kwaito, die afrikanische Variante angloeuropäischer House Music. Sie hat in den letzten zehn Jahren von der Hafenstadt Durban aus ganz Südafrika erobert. „Wir jungen Südafrikaner“, sagt der DJ Chynaman, „wollen endlich die Narben der Apartheid hinter uns lassen, das Leben genießen. Egal, ob schwarz oder weiß, wir tanzen alle nach demselben Beat.“ Unter dem Einfluss der allgegenwärtigen Pop Musik entwickelt sich die traditionelle Musik Afrikas weiter. Musiker verbinden traditionelle Lieder mit moderner afrikanischer Pop-, House- oder Rapmusik, sie spielen moderne Songs auf traditionellen Instrumenten oder umgekehrt traditionelle Melodien interpretieren sie auf modernen Instrumenten wie E-Gitarre oder Saxophon.
Zentralafrika
Die afrikanische Pop Musik hat ihre verschiedenen Musikstile in den Großstädten von West- und Zentralafrika weiter entwickelt: Afrobeat oder Highlife in Lagos in Nigeria, Makossa in Yaoundé, Kamerun, Rumba und Soukous in Kinshasa, Kongo.
Im Westen ist die Band Benda Bilili bekannt geworden durch den gleichnamigen Dokumentarfilm Benda Bilili. Die Gruppe besteht aus körperlich behindertern Musikern aus Kinshasa. Die Bandmitglieder begannen mit Songs im Stil des Soukous, eine Art kongolesische Rumba. Bald mischte die Gruppe auch Funk, Blues und Reggae in ihre Lieder. Einen großen Einfluss auf den Musikstil hat der Sänger der Band, Ricky Likabut. Er wurde von James Brown beeinflusst und sorgte dafür, dass der Sound Von Benda Bilili funkiger wurde. Die Songs der Truppe sind in Lingála und teilweise Französisch. Sie handeln von den Problemen der Menschen im Kongo, von Armut, Ausbeutung und Korruption. Sie widmen ihre Songs den zahllosen Obdachlosen und Kindern in den Straßen Kinshasas. In dem Song Polio fordern sie Eltern auf, ihre Kinder gegen Polio impfen zu lassen, sie zur Schule zu schicken und sich gut um sie zu kümmern.
Hier kannst du einen Videoclip von Benda Bilili sehen
Weltmusik at its best!
Hier hörst du einen musikalischen Dialog zwischen Balafon und Kora von zwei der besten Instrumentalisten Westafrikas, die auch noch denselben Namen tragen. Mamadou Diabaté aus Mali und Mamadou Diabaté aus Burkina Faso. Dieses Stück stammt aus der CD Antilopenmond. (c) Scala Z Media
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