Südafrika trauert um Nadine Gordimer
Am 14. Juli, vier Tage bevor Südafrika Nelson Mandelas Geburtstag gedachte, verabschiedete sich die Literatur-Nobelpreisträgerin von der Welt. Nadine Gordimer war eine der schärfsten Kritikerinnen der Apartheidpolitik. Sie war zeitweise Mitglied beim ANC, der Anti-Apartheid Partei Südafrikas, war mit Nelson Mandela befreundet und half ihm bei der Formulierung seiner berühmten Verteidigungsrede Rede vor jenem Gericht, das ihn zu lebenslänglicher Haft verurteilte.
Rassismus – eine europäische Last
Wie kam es, dass die Tochter eines lettischen Juweliers und einer Engländerin eine so prominente Rolle im Kampf gegen die Apartheid einnahm? Als Nadine Gordimer 1923 in Springs geboren wurde, war die Kleinstadt unweit von Johannesburg schon eines der größten Goldfördergebiete der Welt. Als um 1900 in dem Ort Gold gefunden wurde, zogen Glückritter aus aller Welt in die Stadt, wie Nadine Gordimers Vater, der mit dreizehn Jahren nach Transvaal gekommen war. Hier lernte er Nadine Gordimers Mutter kennen, eine aus England stammende Jüdin. Auch sie brachte aus Europa die Erfahrung mit, welche zerstörerischen Folgen Rassismus für eine Gesellschaft haben konnte. Sie machte Nadine auf Ungerechtigkeiten im Zusammenleben zwischen Weißen und Schwarzen aufmerksam. Die Mutter hatte eine Kinderkrippe für Schwarze gegründet. Sie hatte auch damit begonnen, das große Talent ihrer Tochter zu fördern. Sie sorgte dafür, dass die ersten Erzählungen von Nadine Gordimer in örtlichen Zeitungen abgedruckt wurden. Nadine dankte ihr auf ihre Weise. Sie veröffentliche 1953 mit dem Bildungsromand Entzauberung die Geschichte über das weiße Mädchen Helen, das mit der südafrikanischen Apartheid-Ordnung nicht zurechtkommt. Im selben Jahr heiratete Nadine Gordimer den Kunsthändler Reinhold Cassirer, einen in Berlin geborenen Neffen des Verlegers Cassirer. Der Kunsthändler war 1935 nach Südafrika emigriert, als der Antisemitismus in Deutschland unerträglich wurde.
Die trotzige Optimistin
Die Rassentrennung und die unmenschliche Apartheidpolitik blieben das Thema von Nadine Gordimer. Darüber schrieb sie Romane, Erzählungen und Essays. Ihre Figuren erzählen davon, dass der Rassismus nicht nur den sozialen Zusammenhalt der schwarzen Bevölkerung zerstörte, sondern auch den der weißen Minderheit. International wurde sie geehrt: 1974 mit dem britischen Booker-Prize, 1991 mit dem Nobelpreis für Literatur. Im Land wurde sie geächtet. Die meisten ihrer Werke standen auf dem Index. Für Nadine Gordimer spielte das keine große Rolle. Sie blieb im Land und veröffentliche beharrlich weiter ihre kritischen Gedanken. Auch nachdem die Apartheid abgeschafft wurde, blieb sie ihrem Thema treu. Wachsam verfolgte sie Nelson Mandelas Politik der Versöhnung. Konnte der Freiheitskämpfer die Gräben zwischen schwarzer Mehrheit und weißer Minderheit schließen? Im Schatten seiner Regierung begannen sich die Ungerechtigkeiten unter neuen Vorzeichen fortzusetzen. Nadine Gordimer bezog Stellung. Sie kritisierte die neuen Machtklüngel des regierenden ANC und seines Vorsitzenden Jacob Zuma. Und sie setzte sich mit den brutalen Machenschaften von Robert Mugabe auseinander, dem autokratischen Präsidenten des Nachbarlandes Simbabwe. Anlässlich ihres 80. Geburtstags sagte sie in einem Interview mit der Deutschen Welle: „Viele Journalisten fragen: Worüber soll man jetzt nach der Apartheid noch schreiben. Na, fragen Sie doch mal Günther Grass, worüber man nach der Niederlage der Nazis noch schreiben kann. Der Rassismus am Kap hat 1652 angefangen. Das war der Beginn der Apartheid. Wie soll man dann erwarten, dass wir in nur 14 Jahren die sozialen Unterschiede zwischen der schwarzen Mehrheit und der weißen Minderheit abschaffen? Gebt uns eine Chance! Verdammt uns nicht nach 14 Jahren. Das ist die Basis für meinen trotzigen Optimismus.“
Nadine Gordimer wurde mit zahlreichen Preisen und Auszeichnungen geehrt. Ihr Werk umfasst 15 Romane, mehr als 200 Kurzgeschichten und Essays.
Zu ihren meistgelesenen Romanen zählen Burgers Tochter, die Geschichte einer weißen Südafrikanerin, die gegen die Apartheid kämpft, und der Familienroman Die Hauswaffe. Für Der Besitzer wurde die Autorin mit dem Booker-Prize ausgezeichnet. Nadine Gordimer ist die siebte Frau, die den Nobelpreis für Literatur erhielt.
Hier siehst du ein Interview mit Nadine Gordimer über ihren Roman Keine Zeit wie diese
Hier liest du einen Auszug aus Nadine Gordimers Erzählung Die Diamantenmine
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