Das Flüchtlingsdrama im Mittelmeer

Ein spanisches Segelschiff nähert sich Flüchtlingsboot (c) Noborder Network CC BY SA 2.0

Ein spanisches Segelschiff nähert sich Flüchtlingsboot (c) Noborder Network CC BY SA 2.0

Mitte April geschah eine der bisher schlimmsten Tragödien vor der Küste von Libyen: 800 Kinder, Frauen und Männer haben ihr Leben auf der Flucht nach Europa verloren. Nur 28 Männer haben die Schiffskatastrophe überlebt. Die Überlebenden haben berichtet, dass ihr Boot mit einem portugiesischen Handelsschiff zusammen gestoßen ist. Das Boot sank.

Die Schleuser betreiben ein menschenverachtendes Geschäft

Flüchtlinge bei Lampedusa (c) Vito Manzari CC_BY SA 2.0Die Schiffskatastrophe vor der Küste von Nordafrika hat gezeigt, wie menschenverachtend die Schlepper vorgehen. Das Flüchtlingsboot war ein Schiffskutter mit drei Ebenen. In den untersten Laderaum hatte man Hunderte Menschen gezwängt. Der Raum war überfüllt. Die Luken wurden geschlossen, damit die Flüchtlinge nicht in die nächste Ebene überwechseln konnten. Dort ist es komfortabler aber auch teurer. Ganz oben an Deck sind die teuersten Plätze. Nur die Menschen, die sich hier befanden, haben überlebt. Dazu zählten auch der Kapitän und ein Schlepper. Italienische Schiffe halfen den Überlebenden. Von libyscher Seite gab es keine Hilfe. Warum nicht? Normalerweise hat jedes an einem Meer gelegene Land eine Küstenwache. Doch die libysche Küstenwache existiert nicht mehr. Das Land kämpft mit den Folgen des Bürgerkrieges. Es gibt keine handlungsfähige Regierung. So können kriminelle Schlepperbanden ungestört an der Not der Flüchtlinge Milliarden verdienen. Sie kaufen ausrangierte Frachter, höhlen sie aus, um möglichst viel Platz für Menschen zu schaffen. Für billiges Geld heuern sie unerfahrene Seeleute an. Schlepper fahren über Land, durchkämmen die Flüchtlingscamps und werben für die Überfahrt. Für einenPlatz auf dem Boot verlangen sie zwischen 3000 und 6000 Euro. Haben sich die Flüchtlinge einmal in ihre Hände begeben, werden sie behandelt wie eine Ware. Heute machen Schleuserbanden etwa 10 Prozent des Bruttoinlandprodukts von Libyen aus. Kaum zu fassen, wie groß die Not der Flüchtlinge ist. Nach diesem schrecklichen Unglück wurde die Rettung auf See verstärkt. Seither versuchten tausend andere über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Anfang Mai musste die italienische Marine 3400 Menschen aus Seenot retten.

Warum starten so viele von Libyen aus nach Europa?

Libyen bietet ideale Startbedingungen für Flüchtlingsboote. Von hier aus muss man gerade einmal 500 Kilometer nach Norden fahren, um am europäischen Festland zu landen. Bis zur Insel Lampedusa sind es sogar nur 300 Kilometer.

Woher kommen die Flüchtlinge?

Karte Migrationsrouten im Mittelmeer (c) NordNordWest CC BY SA 3.0Viele Flüchtlinge sind tausende Kilometer weit gereist. Sie kommen von Eritrea, Ägypten, Südsudan, Mali, Niger und Nigeria. In diesen Ländern besteht eine große, soziale Ungleichheit, es gibt nur wenige Arbeitsplätze und es herrschen teils bürgerkriegsähnliche Zustände. Die Mehrzahl der Migranten sind junge Männer und halbwüchsige Kinder. Sie wollen arbeiten und ein freies Leben führen. Das Geld für die Überfahrt hat ihre Familie oder ihr Dorf zusammengespart. Sie erwarten, dass die Männer Geld schicken, sobald sie eine Arbeit gefunden haben. Viele Tausende sind schon geflohen, aber ungefähr eine Million wartet noch auf die Ausreise.

Was geschieht mit den Flüchtlingen?

Rettungsaktion von Flüchtlingen Kanarische Inseln  (c) Noborder Network CC BY SA 2.0Haben die Flüchtlinge es nach Lampedusa, Malta oder Rhodos geschafft, dann verbringen sie die ersten Wochen in einem großen Flüchtlingslager. Ob sie auf das europäische Festland weiterreisen dürfen, ist oft nicht klar. Entscheidend ist, ob sie politisch verfolgt werden oder aus einem Kriegsland stammen. Flüchtlinge dürfen nicht zurück geschickt werden in das Land, in dem ihnen Gefahr droht. Die Länder, die Flüchtlingen erlauben zu bleiben, werden Asylländer genannt. Vertreter von Menschenrechtsorganisationen helfen den Angekommenen mit den allernötigsten Dingen. Sie achten auch darauf, dass die Flüchtlinge ihr Recht bekommen und menschenwürdig behandelt werden. Das größte dieser Flüchtlingshilfswerke wurde von den Vereinten Nationen geschaffen. Es heißt „UNHCR“. Immer wieder stellt sich heraus, dass sich unter den Flüchtlingen einige befinden, die Rauschgift schmuggeln. Einige sind gar nicht auf der Flucht. Sie sind von Schlepperbanden zur Überfahrt nach Europa gezwungen worden. Denn unter den Schleppern befinden sich auch Menschenhändler, die Flüchtlinge dazu zwingen, in Europa zu schuften.

Was unternehmen die Politiker, um den Flüchtlingen zu helfen

Lampedusa noborder (c) Sara Prestianni CC BY SA2.0Die Politiker in Europa wollen mehr gegen die kriminellen Schlepperbanden unternehmen. Das ist schwierig, denn sie müssen dabei mit afrikanischen Regierungen zusammen arbeiten. In Ländern wie Libyen gibt es aber keine handlungsfähige Regierung. Hinzu kommt, dass die Schlepper ihr menschenverachtendes Geschäft wie Profis betreiben. Sie kommen aus allen Ländern der Welt und sind bestens vernetzt. Sie machen den Flüchtlingen falsche Hoffnungen und bringen sie mit unsicheren Booten in große Gefahr. Sie verlangen eine Menge Geld und überlassen die Passagiere ihrem Schicksal. So führt die teure Reise oft in den Tod. Mehr und mehr erkennen europäische Politiker, dass sie die Ursachen der Flucht in den Ursprungsländern bekämpfen müssen. Sie leisten in vielen Ländern Entwicklungshilfe und haben mit einer Reihe von afrikanischen Ländern eine wirtschaftliche Zusammenarbeit. Allein Nigeria, aus dem ein Viertel aller afrikanischen Flüchtlinge stammt, erhält seit fünfzig Jahren viele Millionen an Entwicklungshilfe. Doch die Mittel kommen oft nicht bei denen an, die sie am dringendsten benötigen. Aus diesem Grund haben sich die Europäer vorgenommen, mit ihren Hilfsmitteln die lokale Wirtschaft zu stärken. Denn nur so werden nachhaltige Arbeitsplätze für die Bevölkerung geschaffen.

Im Jahr 2013 geschah ein ebenso schreckliches Flüchtlingsdrama vor Lampedusa. Wir haben darüber berichtet und haben auch afrikanische Erzähler zu Wort kommen lassen.

Hier findest du Geschichten über den Verlust von Heimat und Auswanderung

Fatou Diome FfmBuchmesse (c) Jummai gemeinfreiDie Senegalesin Fatou Diome hat in dem Roman Der Bauch des Ozeans ihren schwierigen Weg nach Europa geschildert. Martina Gedeck liest aus Der Bauch des Ozeans

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Neues zu Lampedusa: Die Afrikanische Union hat nun, drei Wochen nach dem Unglück vor Lampedusa, reagiert. Sie hat einen Gedenktag ernannt. Der gesamte Kontinent ist dazu aufgerufen, seine Solidarität mit den Angehörigen der Toten zu zeigen. Der 3.11. ist von nun an ein Gedenktag für die Toten von Lampedusa.

Der Traum vom Leben - Buchcover (c) Fischer Verlag

Buchtipp: Der Traum vom Leben ist eine Reportage von Klaus Brinkbäumer, der den Flüchtlingsrouten durch mehrere afrikanische Länder gefolgt ist.

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