Das Jahrhundert Duell in Kinshasa
Gladiatoren ohne Schwerter
Kinshasa, 30. Oktober 1974, 4 Uhr morgens. Es ist düster, dunkle Wolken hängen am Himmel. Nur ein Ort ist taghell erleuchtet, das Sportstadion in Kinshasa. 50 000 Augenpaare verfolgen ein Duell, wie es nie zuvor eines gab: Die zwei Giganten des Boxsports, Muhammad Ali und George Forman, stehen sich im Ring gegenüber. Beide sind schwarz, beide sind Nachkommen afrikanischer Sklaven, die Jahrhunderte zuvor in die Neue Welt verschleppt wurden. Beide haben sich im Sport nach ganz oben gekämpft. Muhammad Ali gilt mit seinen 32 Jahren als der alte Champion. Er hatte den Weltmeistertitel verloren, weil er den Kriegsdienst verweigert hat. Nun wollte er ihn zurück erobern. George Foreman ist der sieben Jahre jüngere Weltmeister. Er hat den Champion schon einmal besiegt. Hatte Ali eine Chance, den Kampf zu gewinnen? Nein, sagten die Experten in den Wettbüros.
Rückkehr zu den Wurzeln
Der Diktator Mobutu Sese Seko hatte die Stars zum größten Kampf des Jahrhunderts nach Zaire eingeladen, so hieß die Demokratische Republik Kongo früher. Die Afroamerikaner sollten zu ihren Wurzeln zurückkehren und der Welt die Stärke des neuen Afrikas vor Augen führen. Der Dschungel sollte widerhallen von den Donnerschlägen ihres Kampfes. Die Entscheidung fiel den beiden Sportlern nicht leicht. Der Diktator war berüchtigt für sein grausames Regime. Er nutzte das sportliche Ereignis, um sich und seine Regierung als friedfertig darzustellen. Die besten Sänger der Welt waren angereist, um dieses Ereignis mit ihrer Musik feiern. James Brown schmetterte von der Bühne: „Say it out loud, I am black and I am proud“.
Der Schwächere, ein König der Herzen
Muhammad Ali wusste, dass er verlieren könnte. Dieser Gegner hatte ihn schon einmal mit seinen hammerharten Schlägen zu Boden geschickt. Ali nutzte sein taktisches Geschick. Er reiste Wochen vor dem Kampf an. Er informierte sich über die Menschen im Land, sprach mit ihnen und gewann ihre Sympathie. Sein Konkurrent tat genau das verkehrte. Er reiste mit seinem Schäferhund ein. Wusste er nicht, dass die Kongolesen vor diesen Hunden Angst hatten, dass die einstigen belgischen Kolonialherren mit Schäferhunden die Bevölkerung eingeschüchtert hatten? Noch ehe Foreman afrikanischen Boden betrat, hatte er die Kongolesen gegen sich. Das Publikum im Stadion war auf Seiten Alis, es feierte ihn als ihren Favoriten.
Die entscheidende Runde
Ali hatte in seinen Boxmantel einnähen lassen, in welcher Runde er siegen würde: in der achten! Tatsächlich hing er jedoch kurz nach Beginn der achten Runde in den Seilen. Foreman hatte die ersten sieben Runden auf ihn eingedroschen. Er war ihm klar überlegen, alle konnten es sehen. Ali versuchte mit seinen Sprüchen Foreman aus dem Konzept zu bringen. „Ist das alles, was du drauf hast,“ brüllte er den Weltmeister an und drehte sich aus der Umklammerung. Zwei rechte Haken, dann zwei, drei schnelle links, rechts Kombinationen. Es war kaum zu fassen, Foreman begann zu wanken. Ali zielt auf den Kopf seines Gegners. Das Publikum raste und schrie: „Ali, boma ye!“ „Ali, töte ihn!“ Ali schlug nicht zu. Kein letzter Schlag. Er sah einfach nur zu, wie Foreman zu Boden ging. Dann reckte er die Fäuste in die Höhe. Das Publikum war still, der Champion hatte den Gegner geschont. Dann jubelte es ihm zu und stürmte den Ring.
Der Boxkampf, ein Sieg der Menschlichkeit
Foreman und Ali flogen nach Hause, jeder um 5 Millionen Dollar reicher. Die Kongolesen waren um die Erfahrung reicher, dass Menschlichkeit siegt. Sie hatten ihren Kampf noch vor sich. Fast zwei Jahrzehnte dauerte es, bis sie – 1997 – den Diktator Mobutu Sese Seko vom Thron vertrieben. Wenig später starb er in seinem Exil in Marokko. Heute ist die Demokratische Republik keine Diktatur mehr. Aber ist sie eine Regierung, die Kinder und Jugendlichen im Kongo wollen?
Hier siehst du Muhammad Ali beim Training am Tag vor dem Kampf
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