Was afrikanische Flüchtlingskinder erzählen
Nirgendwo sind so viele Menschen auf der Flucht wie in Afrika. Die meisten sind noch Kinder. Sie kommen aus Eritrea, Burundi, Nigeria, Südsudan, Kongo, Somalia oder der Zentralafrikanischen Republik. Oft brechen sie alleine auf. Warum? Entweder herrscht Krieg und Gewalt oder die Eltern sind arm und die Kinder haben keine Chance, der Armut zu entrinnen. Nur gehen sie meist nicht in Richtung Europa, sondern bleiben auf ihrem Kontinent. Sie folgen den Wegen ihrer Geschwister oder Verwandten. Sie schaffen soziale Netzwerke, die ihnen weiterhelfen und sie vor Gefahren schützen.
Sie erledigen einfache Jobs und sind stolz darauf, zum Familieneinkommen beizutragen. Denn Kinderarbeit ist in Afrika üblich. Sie arbeiten als Wasserverkäufer, Markthilfen, Träger, Schuhputzer oder in Restaurants. Vier Kinder erzählen, wie es ihnen auf der Flucht erging, wie sie sich durchschlagen und was sie auf ihrem Weg gelernt haben.
Ibrahim, 17 Jahre alt, verließ sein Zuhause mit 14. Heute kellnert er in einem Restaurant in Ouagadougou.
„Ich war 14 Jahre und habe mir den Job selbst gewählt. Ich wollte etwas Geld verdienen, denn zuhause musste ich meinen Vater um Geld bitten, um mir kaufen zu können was ich wollte. Mein Vater und meine Mutter wussten das und hatten nichts dagegen, dass ich mir anderswo eine Arbeit suchte.“
Ibrahim wurde von seinem Onkel um seinen Lohn betrogen, doch er lernte, sich zu wehren und fand einen besseren Job.
Wahabu, kommt aus einer der ärmsten Gegenden in Ghana, aus Bawku. Er arbeitet auf einer Farm im Süden von Ghana, weit weg von seinen Eltern. Er hat das Glück, dass auch sein Bruder auf der Farm ist, so fühlt er sich nicht allein.
„Die Armut trieb mich her. Ich hab keine Schule besucht, und zu Hause ging es mir nicht gut, deshalb hat mich mein älterer Bruder auf diese Farm geholt und mir Arbeit verschafft…. Ich verdiene nicht viel, aber was ich bekomme, teile ich in zwei Hälften, die eine schicke ich nach Hause, von der anderen Hälfte kaufe ich, was ich zum Leben brauche.“
Habiba kommt aus dem Norden von Ghana. Mit zehn ging Habiba von zu Hause fort, um auf einem Markt in Accra zu arbeiten. Sie hatte vier Jahre die Grundschule besucht, dann musste sie die Schule verlassen und Geld verdienen.
„Ich kam mit meiner Cousine nach Accra, meine Eltern waren einverstanden. Ich komme aus Walewale, aus dem Norden und stieg mit drei anderen Mädchen in das Marktgeschäft ein. Ich wollte nach Accra, nachdem ich gesehen habe, was die besaßen, die in unser Dorf zurück kehrten. Sie hatten nette Kleider, tolle Frisuren und so praktische Dinge wie Nähmaschinen. Bei uns ist es einfach so, wenn du heiraten willst dann wird erwartet, dass du Geschirr hast und solche Dinge. Wenn du nichts besitzt, lachen alle über dich…“
Habiba verdient etwa einen halben Euro im Monat. Sie und ihre Freundinnen passen aufeinander auf, sie behalten ihr Geld nicht bei sich, sondern lassen es von ihren Arbeitgebern aufbewahren, damit es ihnen nicht geklaut wird. Sie schlafen in großen Gruppen und unterstützen sich finanziell gegenseitig, wenn eine gerade nicht genug verdient, um sich Essen zu kaufen.
Boureima, 14, ein Ziegelmacher in Ouagadougou, ist ein Waisenkind. Er verlor seine Mutter mit drei Jahren, sein Vater starb bald danach. Er wuchs bei der Verwandtschaft seiner Mutter auf, besuchte nie eine Schule, verdient ca. 1 Euro im Monat
„Ich kam vor einem Jahr nach Ouagadougou. Bis dahin lebte ich bei meiner Großmutter. Verglichen mit Zuhause geht es mir hier etwas besser, denn dort mußte ich für meine Großmutter anpflanzen und verdiente nichts… Was ich hier schwierig finde, ist dass mein Arbeitgeber von mir verlangt, dass ich vier Fuhren Sand am Tag einsammle, das ist anstrengend. Ich beginne zwischen 6 oder sieben Uhr morgens und kommte auf drei Fuhren bis zum Mittag. Dann mache ich eine Pause, denn dann ist die Hitze zu groß. Nachmittags fülle ich dann die vierte Fuhre. Zweimal im Monat habe ich einen freien Tag.“
So lange es in Afrika Armut, Krieg und Verfolgung gibt, werden Kinder wie Ibrahim, Wahabu, Habiba und Boureima alles tun, um in sichere Länder zu gelangen.
Warsan Shire wurde in Kenia geboren. Ihre Eltern stammten aus Somalia, waren nach Kenia geflüchtet und von dort nach England. Warsan war damals ein Jahr alt. An die Flucht erinnert sie sich nicht, sehr wohl aber an die schwierige Zeit der Eingewöhnung in das fremde Land. Sie lernte daraus, sich durchzuschlagen und das zu tun, was sie am liebsten macht: Gedichte schreiben. Heute ist sie eine erfolgreiche Schriftstellerin. Sie weiß aus Erfahrung: „Niemand verlässt seine Heimat, es sei denn, sie ist das Maul eines Haies.“ Heute ist England ihre Heimat.
Zur Zeit fliehen die meisten Afrikaner von Eritrea nach Europa. In dem ostafrikanischen Land herrschen Unterdrückung und Gewalt. Fast alle sind junge Männer, denn die Reise ist für Frauen und Kinder zu gefährlich. Wenn sie in einem europäischen Land eine Bleibe und Arbeit gefunden haben, holen sie ihre Familien auf sicheren Wegen zu sich.
Mehr über Flüchtlinge, die nach Europa kommen
Hier kannst du einen Auszug aus dem Jugendroman Der Bauch des Ozeans von Fatou Diome hören
Auf unseren Länderseiten findest du mehr über die Gründe, warum Menschen flüchten
Mehr über Kinder und Jugendliche aus aller Welt, die sich auf der Flucht befinden, findest du im Spezial von Hanisauland
Ebenfalls ein umfangreiches Spezial mit vielen Links findest du auf der Webseite von Religionen-entdecken
Die Interviews mit den Kindern stammen vom Development Research Centre on Migration, Globalisation and Poverty.