Marx, das Kapital und Afrika

Karl Marx

Marx und die Erklärung der Welt

Marx war ein Philosoph und Welterklärer aus Trier, der in Deutschland studierte, nach London emigrierte, und sein Hauptwerk „Das Kapital“ in jahrelangen Recherchen in Londoner Bibliotheken verfasste. Sein 200. Geburtstag wird am 5. Mai dieses Jahr gefeiert. Dieser Jahrestag ist für uns Anlass, einen Blick zurück in die Geschichte zu werfen. Was hatte Marx zum Handel Europas mit Afrika, zur Kolonialisierung und zum Sklavenhandel zu sagen? Hat er heute noch eine Bedeutung für uns und den Reichtum der westlichen Welt, und welche Bedeutung hat er für afrikanische Gesellschaften?

Ein kurzer Abriss zum Kapital

In einer Londoner Straße 1860

Im Kern geht Marx’ Analyse des Kapitalismus so: Der Wert einer Ware bestimmt sich nach der „lebenden“ Arbeit, die im Produktionsprozess in diese hinein geflossenen ist. Der Kapitalist zahlt dem Arbeiter nur einen Subsistenzlohn. Was der Arbeiter darüber hinaus an Wert schafft, ist der Mehrwert des Arbeitsgebers. Die Kapitalisten stehen unter dem Druck, Profite zu machen, sonst werden sie vom Markt gedrängt. Also müssen sie immer mehr Kapital ansammeln, Arbeiter entlassen und durch Maschinen ersetzen, um Lohnkosten zu sparen. Dadurch schwindet aber die Quelle des Mehrwerts. Es kommt zu Absatzkrisen. Die Krisen werden immer tiefer. Große Kapitalisten schlucken die Kleinen und es kommt zur Konzentration von Kapital. Die Arbeitslosigkeit steigt, die Arbeiter können keine Waren mehr kaufen. Die Masse der Arbeiter verelendet. Sie steigen auf die Barrikadien und nehmen sich, was ihnen gehört.  „Die Enteigner werden enteignet“, lautete Marx‘ berühmte Formel für das Ende des Kapitalismus.

Marx war neu und aufregend, weil er Klassenkampf und Umsturz prophezeite. Als Ökonom ging es ihm aber vor allem darum herauszuarbeiten, welche Mechanismen zu seiner Zeit die Welt veränderten. In seiner Kernaussage, dass sich die kapitalistischen Wirtschaftsmodelle über die Bedürfnisse der Menschen stellen, hatte Marx die Menschen Europas im Blick. Er stellte fest, dass die Europäer von dem kapitalistischen System beherrscht werden, das sie selbst geschaffen haben. Wie haben sie dieses System entwickelt? Und mit welchen Mitteln? Mit Blick auf die Geschichte Afrikas fragen wir uns, gab es einen blinden Fleck in Marx‘ Welterklärung?

Marx und eine Theorie über den Menschenhandel

Sklavenschiff – Kongo

Woher kam das ganze Kapital, mit dem die Industrialisierung in Gang gesetzt wurde? Marx meinte, der Handel sei das Instrument gewesen, mit dem die nötigen Mengen an Kapital zusammen getragen wurden, die zur Industrialisierung des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts führten. Ein Blick zurück in die Geschichte zeigt:  Es war vor allem die Ausbeutung von Afrikas Rohstoffen, noch mehr aber war es der Sklavenhandel, der den herrschenden Klassen in Europa zu einem immensen Reichtum verhalf. Die systematische Verschleppung und Versklavung von 20 Millionen Menschen auf Plantagen in der neuen Welt, und die Ausbeutung ihrer Arbeitskraft bildete die Basis für die technologische Entwicklung der westlichen Welt.

Was ändert das an der Interpretation des Kapitalismus und der Welt? Es könnte bedeuten, dass es bisher nie eine nach den Prinzipien der Menschenrechte verlaufende Wirtschaft gegeben hat. Dass also unser Reichtum, unsere Technologie, unsere Demokratie, unser Menschenbild und seine rassistischen Auswüchse, auf der Versklavung von Menschen basiert.

Die Verelendung der Massen – Ein Phänomen in Afrika

Eine Theorie von Marx ist heute noch so aktuell wie damals: die Theorie über die Verelendung der Massen. Tatsächlich hat sich das Phänomen einfach nur global verschoben. Die Arbeiter, die am meisten ausgebeutet werden, sind heute nicht in Westeuropa, sondern in der sogenannten Dritten Welt. Marx hat als Erster die globalen Auswirkungen der kapitalistischen Produktionsweise beschrieben. Das Kapital macht alles zur Ware, sogar unsere sozialen Verhältnisse. Der Marx-Biograph Jürgen Neffe resümiert: Das Kapital, ist „ein nimmersatter Moloch, aber nicht, weil das Kapital an sich böse ist, sondern aus seiner inneren Logik. Das als Erster erkannt zu haben, ist Marx’ großes Verdienst.“

Marx in Algier

Marx und Engels

Marx war ein Jahr vor seinem Tod in Algerien. Auf dieser Reise wurde er erstmals unmittelbar mit den Auswüchsen der kolonialen Ausbeutung konfrontiert. Er verabscheute diese. Er erkannte, dass die Kolonialpolitik die vorkapitalistischen Strukturen Algeriens zersetzt hat und zwar nicht mit den Mitteln kapitalistischer Produktionsbeziehungen sondern durch die schlichte Ausbeutung des Landes und seiner Bewohner. Doch diese Erfahrung fand keinen Eingang mehr in sein Werk. Marx war ein Welterklärer, kein Entdecker. Doch das tut seiner Theorie keinen Abbruch. Das ist ja auch sein Auftrag an uns und kommende Generationen: Seht zu, dass ihr das System besser versteht und wieder die Herrschaft über das gewinnt, was euch beherrscht! Stichpunkt: Der Handel mit unseren Daten.

Gab es marxistisch regierte Länder in Afrika?

In der Zeit des Kalten Krieges versuchten mehrere afrikanische Staaten, eine marxistisch-leninistische Staatsphilosophie einzuführen. Es waren vor allem die afrikanischen Eliten, die sich den Sozialismus aneigneten. Viele von ihnen hatten in Europa oder in der damaligen Sowjetunion studiert. Mit Idealismus und Engagement kehrten sie in ihre Heimat zurück. Viele wurden in den afrikanischen Unabhängigkeitsbewegungen aktiv. „Viele Länder sind von der Sowjetunion und linken Organisationen in Europa in ihrem Kampf unterstützt worden.“, sagt Jennings.

Beispiel Äthiopien

wikipedia

1975 erklärte das Derg Regime unter Mengistu Haile Mariam den Marxismus-Leninismus zur Staatsideologie Äthiopiens. Fast 20 Jahre lang war Äthiopien nach außen hin ein sozialistischer Staat. Nach innen war es eine Militärdiktatur. Rund eine halbe Million Menschen fielen dem brutalen kommunistischen Regime zum Opfer. Noch heute sind die Erinnerungen an diese Zeit lebendig. Der Obelisk im Zentrum von Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba erinnert an die Soldaten, die im Krieg zwischen Somalia und Äthiopien in den 1960er Jahren starben. Doch für viele Äthiopier steht das Mahnmal auch für die kommunistische Schreckensherrschaft der Militärjunta „Derg“.

Beispiel Tansania

Julius K.Nyerere

Julius K. Nyerere betrieb die Unabhängigkeit Tansanias und schaffte es, dass die britischen Kolonialherren sein Land friedlich in die Unabhängigkeit entließen. 1962 wurde Nyerere erster Präsident Tansanias. Er versuchte eine Art afrikanischen Sozialismus, den er „Ujamaa“ nannte. Mit dieser Staatsform, die auf den Prinzipien der afrikanischen Gemeinschaft fußte, wollte er die Armut bekämpfen und Tansania unabhängig von der kapitalistischen Entwicklung des Westens machen. Die Landwirtschaft sollte Motor der wirtschaftlichen Entwicklung sein. Doch sein wirtschaftlicher Ansatz schlug fehl. Tansania konnte nie aus eigener Kraft ökonomisch unabhängig werden. Auch die Idee eines vereinigten, starken Afrikas war zu neu, und die unabhängigen Staaten zu jung, als dass er sich zu seiner Zeit hätte verwirklichen lassen.

Schon gewusst?

Das Grab des deutschen Philosophen Karl Marx auf dem Londoner „Highgate“-Friedhof ist eine Pilgerstätte für Fans aus aller Welt. Doch wer das drei Meter hohe Grab-Monument des Kapitalismus-Kritikers besuchen will, muss tief in die Tasche greifen: Sechs Pfund, ermäßigt vier, kostet der Eintritt, umgerechnet sechs bis zehn Euro – ein Umstand, der die neue Generation Sozialisten zum Toben bringt, berichtet das „Wall Street Journal“. Eigentlich fängt die Ironie aber schon früher an: Immerhin hat Karl-Marx sich seine letzte Ruhestätte auf einem Privatfriedhof gekauft, statt sie sich vom Staat geben zu lassen.

Tipp: Die Dokumentation  über „Menschenhandel – eine kurze Geschichte der Sklaverei“ auf arte liefert einen vertieften Blick auf die Geschichte des Reichtums und seiner Opfer, beginnend am 1.5.2018, 20:15.

Die Marx-Biographie von Jürgen Neffe „Marx – Der Unvollendete“ C. Bertelsmann 2017

Wir feiern den Internationalen Afrika-Tag

Flagge der Afrikanischen Union (c) wikimedia commonsAm 25. Mai feiert Afrika den 55. Gründungstag der Organisation für Afrikanische Einheit, die vor über zehn Jahren in der Afrikanischen Union (AU) aufgegangen ist. In Deutschland demonstriert das Bündnis Gemeinsam für Afrika aus Anlass dieses Gründungstages in sieben Großstädten gegen moderne Sklaverei.

Wo werden heute noch Menschen versklavt? Tatsächlich weltweit. Bei welchen Arbeiten werden Menschen besonders häufig ausgebeutet oder versklavt? Bei der Gewinnung von Rohstoffen, also beim Abbau von Gold und Erzen etwa, aber auch bei der Herstellung von Kleidung, Smartphones oder Nahrungsmitteln.