Black Lives Matter

George Floyd – Wandbild Berlin

Der Tod des Afroamerikaners George Floyd am 25. Mai in Minneapolis durch einen Polizeieinsatz hat weltweit Entsetzen ausgelöst. Die Polizeigewalt in den USA, vor allem gegen schwarze Bewohner, hat eine unrühmliche Geschichte. Schwarze geraten öfter in Polizeigewahrsam, die Gefängnisse sind in der Regel mit 80 Prozent schwarzen Insassen belegt. Bei Festnamen kommen immer wieder Schwarze ums Leben. Was George Floyds Tod von allen anderen vergleichbaren Fällen unterscheidet: Der Vorfall wurde von Passanten gefilmt, einige versuchten, die brutal vorgehenden Polizeikräfte zur Mäßigung zu bewegen, umsonst. Über die Sozialen Medien verbreiteten sich die Aufnahmen von dem Geschehen sekundenschnell um die Welt. Die vier beteiligten Polizisten wurden festgenommen, vermutlich werden sie wegen Totschlags vor Gericht gestellt. In einem Jahr soll der Prozess beginnen.

 

Ist die Polizeigewalt in den USA rassistisch?

Der Fall löste großflächige Proteste gegen Polizeigewalt in den USA aus, denn er  ruft Erinnerungen an die schlimmsten Zeiten des Rassismus wach, an die „Black Panther“ Widerstandsbewegung  in den USA. Darüber hinaus führt er einmal mehr die traurige Zeit der Sklaverei vor Augen und deren Langzeitfolgen für heutige Generation. Die Wut trieb Zehntausende auf die Straße, sie protestierten, randalierten, einige plünderten. In 140 amerikanischen Städten machte die Wut der Menschen die Nacht zum Tag. Wegen Ausschreitungen und Plünderungen, bei denen es zu mehreren Todesopfern kam, wurden ab dem 31. Mai 2020 in 40 US-Städten Ausgangssperren verhängt. Sogar die Nationalgarde wurde eingesetzt. In diesem Zusammenhang kam es zu weiteren Fällen von Polizeigewalt, die als unverhältnismäßig kritisiert wurde.

Die „Black Lives Matter“ Proteste griffen schnell auf die gesamte westliche Welt über, vor allem auf jene Länder, die einst am transatlantischen Sklavenhandel beteiligt waren. Die Menschen in Paris, London, Berlin, Lausanne gingen auf die Straße. Von Pretoria bis nach Sydney gab es Protestzüge. Ein Beispiel des Protestes: Bristol in Großbritannien.

Edward Colston und der transatlantische Sklavenhandel

Sklavenhändler Edward Colston, Jonathan Richardson

Bei Anti-Rassismus-Protesten im englischen Bristol haben Demonstranten am 7. Juni die Statue eines britischen Sklavenhändlers vom Sockel geholt und ins Hafenbecken geworfen. Wie die Videoaufnahme eines Augenzeugen zeigt, zogen Demonstranten am Sonntag eine Schlinge um den Hals der Statue von Edward Colston, brachten sie zu Fall und versenkten sie im Fluss Avon. Die Polizei Englands kündigte Ermittlungen an. Ein paar Daten zu Colston: Der im 17. Jahrhundert in eine wohlhabende Händlerfamilie geborene Colston arbeitete für die Königlich-Afrikanische Gesellschaft. Die Royal African Company war eine Handelsgesellschaft, die von der königlichen Familie Stuart und Händlern der City of London gegründet wurde. Die Gesellschaft besaß ab 1662 in England das Monopol für den Handel mit Gold, Silber, Elfenbein und Sklaven an der Westküste Afrikas. Colston war an der Versklavung von 80 000 Menschen beteiligt und wurde hauptsächlich durch Sklavenhandel reich. Die meisten Gefangenen wurden in die Karibik verschifft und mussten auf den Inseln auf Zuckerplantagen schuften. Später erwarb Colston sich durch Spenden an Schulen und Krankenhäuser den Ruf eines Philanthropen. Zum Dank errichteten 174 Jahre nach seinem Tod wohlhabende Kaufleute der Stadt diese Statue für ihn, jedoch ohne Hinweis auf seine Vergangenheit als Sklavenhändler. Schon damals gab es Proteste gegen die Statue.

„Heute bin ich Zeuge von Geschichte“, schrieb William Want, der das Video von dem Sturz der Colston-Statue veröffentlichte, auf Twitter.

 

Stimmen aus dem Vereinigten Königreich

Der Bürgermeister von Bristol bedauert den Verlust der Statue des Sklavenhändlers nicht. Das sagte Marvin Rees von der Labour-Partei am Montag in einem BBC-Interview. „Als gewählter Politiker kann ich Sachbeschädigung und Unruhen wie diese nicht unterstützen“, sagte Rees. Aber die Statue eines Sklavenhändlers mitten in der Stadt sei für ihn niemals etwas anderes als ein „persönlicher Affront“ gewesen, betonte der Politiker mit jamaikanischen Wurzeln.

Die britische Innenministerin Priti Patel nannte den Angriff auf die Statue „zutiefst schändlich“. Sie sprach im Sender Sky News von „Vandalismus“ und einem „völlig inakzeptablen Akt“.

Premierminister Boris Johnson verurteilte die Ausschreitungen bei den Anti-Rassismus-Protesten. Die Gewaltakte seien ein „Verrat“ an den von den Demonstranten propagierten Zielen, twitterte er, ging dabei jedoch nicht auf die Colston-Statue ein.

Ist Gewalt gegen nationale Symbole des Rassismus gerechtfertigt?

Versenkung der Statue von Colston im Fluss Avon, Bristol

Rechtfertigt das Ziel, Rassismus abzuschaffen, das gewaltsame Vorgehen der Demonstranten? Wir erinnern uns: Nelson Mandela hat die Frage vor Gericht klar beantwortet und dafür ein Leben hinter Gittern riskiert. Das war zur Zeit des Unrechtssystems der Apartheid, das Schwarze aus allen Bereichen der Gesellschaft ausgrenzte und Oppositionelle mit aller staatlichen Willkür verurteilte und misshandelte. Heute geht es in demokratischen Gesellschaften darum, Rassismus aufzuarbeiten, sich mit der Geschichte und den Folgen der Sklaverei zu beschäftigen. Und gehört dazu nicht auch, sich der öffentlichen oder staatlichen Symbole dieser Vergangenheit zu entledigen oder sie entsprechend einzuordnen? Minneapolis und der Tod von George Floyd werden den Blick auf Rassismus verändern.  Der britisch-nigerianische Historiker David Olusoga schrieb zu Bristol: „Was auch immer in nächster Zeit gesagt werden wird: Das war kein Angriff auf Geschichte – das ist Geschichte. Es ist einer jener seltenen historischen Momente, die dazu führen, dass die Dinge nie wieder so sein können, wie sie waren.“